Reise
nach Ungarn Serbien und Kroatien vom 06. - 13. April 2007
An der Donau entlang in die alte Heimat
Auf Ulmer Schachteln
fuhren vor über 250 Jahren unsere Vorfahren die Donau hinab
um eine neue Heimat zu finden. Wir, Mitglieder der Donaudeutschen
Trachtengruppe Speyer, haben uns mit einem modernen Reisebus auf
diese Reise begeben. Wir wollten auch keine neue Heimat suchen,
sondern wollten sehen, wo unsere Vorfahren lebten, welche Spuren
sie hinterlassen haben und wie diese Zeugnisse heute noch gepflegt
werden. Wir wollten Bekanntschaften auffrischen, neue Kontakte knüpfen
und sehen welche Möglichkeiten es gibt, unter den derzeitigen
politischen Verhältnissen die deutschen Minderheiten in ihrer
kulturellen Arbeit zu unterstützen. Es war ein großes
Vorhaben das uns in 7 Tagen durch Österreich und die Slowakei
nach Ungarn und Serbien und durch Kroatien und Slowenien wieder
zurück nach Deutschland führen sollte.
Bei Regensburg
hatten wir den ersten Kontakt zur Donau. Bis nach Wien war sie unsere
Begleiterin. In der Metropole der ehemaligen Donaumonarchie konnten
wir bei einer Stadtrundfahrt die Zentren der damaligen Macht und
die touristischen Höhepunkte der Hauptstadt Österreichs
sehen. Doch unser erstes Ziel war Bratislava in der Slowakei. Leider
verbrachten wir hier nur eine Nacht und konnten somit nur einen
kleinen Eindruck von dieser Stadt gewinnen. Trotz vielfältiger
Bemühungen hat man auch heute noch den Eindruck, dass die Slowakei
wirtschaftlich immer nur ein Anhängsel der Tschechei war und
nun mit großen strukturellen Problemen zu kämpfen hat.
Unser erstes Ziel war Zsambek ein Dorf nordwestlich von Budapest.
Hier hat sich unter der engagierten Leitung von Sandra Fuchs eine
Gruppe gebildet, die versucht altes deutsches Brauchtum zu suchen
und wieder neu zu beleben. Wir waren zwei Tage Gäste der Gruppe.
In diesen zwei Tagen sahen wir die Sehenswürdigkeiten von Esztergom
und Visegrad sowie des Künstlerdorfes Szentendre und hatten
die Möglichkeit Budapest zu sehen. Wichtiger war jedoch die
Begegnung mit den Mitgliedern der Gruppe und die kulturelle Betätigung.
Es war schon etwas schwierig die sprachlichen Probleme zu überwinden,
aber mit gutem Willen und mit Musik und Tanz gestaltete sich der
Samstagabend zu einem gemütlichen Übungsabend. Beide Gruppen
zeigten was sie können und tanzten auch zusammen. Zu dem gelungenen
Abend trug auch sicher das im Freien gekochte Kesselgulasch und
der Wein aus den Kellern der Mitglieder bei. In einem Gespräch
mit dem Parlamentsabgeordneten Laszlo Keller konnte über die
Problematik der Minderheiten in Ungarn, sowie die sprachliche und
kulturelle Förderung gesprochen werden. Trotz aller Bemühungen
und der bereits vorhandenen gesetzlichen Regelungen stößt
die Umsetzung immer wieder auf finanzielle Schwierigkeiten und auch
auf das mangelnde Interesse der einzelnen ethnischen Gruppen. Nur
wenn engagierte Personen sich bemühen, können Erfolge
erreicht werden.
Kultureller Höhepunkt war der Sonntagmorgen. Bereits um 7 Uhr
morgens zogen beide Gruppen in Festtagstracht zum Kalvarienberg.
In einem gemeinsamen Gebet und einem Wort aus der Bibel, gedachten
die Teilnehmer der Auferstehung des Herrn. Als Abschluss sangen
die Mitglieder unserer Gruppe das Lied "Nach meiner Heimat".
Nach dem Festgottesdienst tanzten beide Gruppen auf dem Platz vor
der Kirche eine Auswahl ihrer schönsten Volkstänze. Kritischer
Beobachter dieser Darbietungen war Joszef Wenczl, der Schöpfer
der Choreographie "Veilchen blaue Augen". Mit viel Beifall
bedachten die vielen Kirchenbesucher die Darbietungen beider Gruppen.
Wie schwierig Kulturpflege ist, konnten wir aus den Äußerungen
von Frau Großhable erkennen, die sich bemüht ein kleines
Heimatmuseum zu gestalten und zu erhalten.
Am nächsten
Tag geht die Fahrt nach Süden. In Szekszard werden wir von
Mitgliedern des Deutschen Chores erwartet. In Bonnhard sind wir
Gäste im deutschen Haus und werden von Mitgliedern der Trachtengruppe
bewirtet und in Kakasd gestalten wir mit den deutschen Chören
aus Kakasd, Zomba und Szekszard ein gemeinsames kulturelles Programm.
Diejenigen die früher schon einmal in Szeksazrd waren, können
feststellen, dass sich die Stadt weiter entwickelt hat. Neue Straßen
mit Industriegebieten und Einkaufszentren, eine neue Fußgängerzone
und viele renovierte alte Häuser prägen das Bild der Stadt.
Besonders gefallen hat uns die Besichtigung einer "Lebzelter
Bäckerei" und des Aussichtspunktes über der Stadt,
von wo wir einen schönen Ausblick auf die Weinberge und die
Tiefebene der Donau hatten. Abschluss des Aufenthaltes ist das gemeinsame
Abendessen nach dem kulturellen Programm im Gemeinschaftshaus der
Minderheiten in Kakasd. Bei einem ungarischen Gulasch, Wein aus
den umliegenden Weinbergen und den alten deutschen Volksliedern,
die von den Chören noch gepflegt werden, gestaltet sich ein
schöner Abend an dem auch viele Erinnerungen an frühere
Besuche, Bekannte und Freunde ausgetauscht werden.
Das Land wird
immer flacher. Auf der Fahrt nach Sombor können wir erahnen
was unter dem Begriff pannonische Tiefebene zu verstehen ist. Der
Grenzübertritt nach Serbien gestaltet sich etwas schwierig.
Vielleicht weil es mit der Verständigung nicht so klappt, oder
weil mit den Fahrzeugpapieren etwas nicht in Ordnung ist oder ist
es doch bekannt geworden, dass wir die erste Vertriebenen Trachtengruppe
sind die in die ehemaligen Heimatgebiete reist. Verstärkt werden
unsere Befürchtungen noch, als ein Grenzbeamter mit uns im
Bus bis nach Sombor mitfährt. Dass diese Befürchtungen
unberechtigt waren, hat sich im Laufe des Aufenthalts ergeben. Nach
dem Grenzübergang ändert sich etwas am Aussehen der Landschaft.
Es ist immer noch flach, aber die Häuser sind einfacher gebaut,
nicht so gepflegt, die Felder sind größer aber teilweise
noch nicht bestellt, die Straßen sind schlechter und auch
die Menschen sehen etwas bedrückter aus. Sombor ist eine interessante
Stadt mit vielen historischen Bauten und mit etwas Farbe und Engagement
könnte sie auch wieder eine schöne Stadt werden.
Unser erstes Ziel in Serbien ist Gakowo. Es ist schon ein bedrückendes
Gefühl wenn man die Straße von Sombor in Richtung Gakowo
fährt und einem bekannt ist wie die deutsche Bevölkerung
nach dem zweiten Weltkrieg hier in dieser Gegend in den Lagern in
Gakowo und Kruschiwl zusammen geführt wurde. Überrascht
ist man vom gepflegten serbischen Friedhof an dem man vorbeifährt
und enttäuscht über das Aussehen des verwahrlosten ehemaligen
deutschen Friedhofs. Dass die Gedenkstätte für die Opfer
des Lagers nur über diesen Friedhof und den Kalvarienberg zu
erreichen ist, erhöht noch die Betroffenheit über die
Geschehnisse der damaligen Zeit. In bewegenden Worten schilderte
Josef Jerger die Geschichte und die Bedeutung dieser Gedenkstätte.
Bei einem Gang durch den Ort kann man noch vieles an schöner
Bausubstanz erkennen, kann aber nur Bedauern, dass dies nicht gepflegt
wird und langsam weiter verfällt oder einfach abgerissen wird
um Platz für einen einfachen Neubau zu schaffen.
Für den Abend wurde zu einem deutschen Abend in das Heim der
kroatischen Minderheit eingeladen. Obwohl wir keine Plakate gesehen
haben und nach Auskunft von Herrn Beck die Zeitungen auch nicht
vorab berichtet haben, ist der Saal mit ca. 300 Personen vollbesetzt.
Wir sind es gewohnt bei einem Folkloreabend die Gefühle des
Publikums zu spüren. Leider kommen diese Gefühle nur ganz
schwach zum Ausdruck. Der Beifall ist mäßig und dass
die Lieder mitgesungen werden ist nur an den Lippen der Besucher
zu erkennen. Erst im Gespräch nach der Veranstaltung kommen
einige Besucher zu uns und bedanken sich. Für alle ist es das
erste Mal nach 60 Jahren, dass sie in der Öffentlichkeit ein
deutsches Lied gehört haben und deutsche Volkstänze in
den alten Trachten gesehen haben. Wir haben den Eindruck, dass sie
dies alles noch nicht verstehen und begreifen können, dass
dies jetzt, nach so vielen Geschehnissen und so langer Zeit, wieder
möglich ist. Auch bei unserem nächsten Auftritt werden
wir die gleichen Erfahrungen machen.
In Novi Sad werden wir im Parlament der Vojvodina mit Kaffee, Kuchen,
Racki und anderen Getränken empfangen. In einem ausführlichen
Gespräch schildert uns der stellvertretende Parlamentspräsident
Egeresi die Bemühungen des Parlaments und der Regierung die
politischen Beziehungen zu den Nachbarländern und besonders
zu Deutschland und Österreich zu normalisieren und dabei die
Minderheiten im eigenen Land zu unterstützen. Durch die Vertretung
der Minderheiten im Parlament und der Benutzung der eigenen Sprache
bei Parlamentsdebatten wurde in der Vojvodina ein kleines Europa
geschaffen. Leider ist die deutsche Minderheit noch nicht im Parlament
vertreten, da die Vertreter der deutschen Minderheit noch nicht
die gesetzlichen Vorgaben erfüllen konnten. Er ist aber zuversichtlich,
dass in naher Zukunft auch die deutsche Minderheitenvertretung in
deutscher Sprache an der Entwicklung des Landes mitarbeiten kann.
Ebenso ist die Regierung bemüht die geschichtlichen Ereignisse
zu bewerten und in der Öffentlichkeit unter Berücksichtigung
aller Gesichtspunkte zu diskutieren und darzustellen.
Am Abend sind wieder ca. 200 Besucher in Backa Palanka im Saal um
unsere Gruppe zu sehen und zu hören. Auch hier erleben wir
die gleichen gedämpften Emotionen wie in Sombor und auch hier
kommt erst in den Gesprächen nach der Veranstaltung die Freude
über unseren Besuch zum Ausdruck.
Am nächsten Tag verlassen wir Serbien und fahren über
die Donau nach Kroatien. Es ist gleich zu erkennen, dass das Land
wirtschaftlich bereits weiter ist. Ob es gedanklich schon weiter
ist müssen wir bei der Durchfahrt durch Vukovar bezweifeln.
Gerade dieser Ort war im Krieg zwischen beiden Ländern hart
umkämpft und als Wahrzeichen für die unverständlichen
Zerstörungen steht der Wasserturm. An vielen Häusern sind
noch immer die Einschüsse von Gewehren und Granaten zu erkennen,
obwohl sich die Stadt bemüht die größten Zerstörungen
zu beseitigen. Es ist still im Bus bei der Fahrt in Richtung Zagreb
und weiter durch Slowenien bis nach Leibnitz in Österreich.
Von dort aus werden wir am nächsten Tag wieder nach Hause fahren.
Was haben wir
mit dieser Reise erreicht? Zunächst haben wir einen Auftrag
unserer Satzung erfüllt. Wir haben neue Kontakte nach Zsambek
geknüpft und alte Bekanntschaften im Süden Ungarns wieder
belebt. In der Vojvodina konnten wir uns über die Geschichte
und die politischen Entwicklungen informieren. Bei einigen Mitgliedern
konnte das Interesse für die Heimatorte ihrer Eltern und Großeltern
neu geweckt werden. Und die Verantwortlichen haben gesehen welche
Schwierigkeiten es gibt die deutsche Minderheit zu sammeln und zu
einer kulturellen Arbeit zu führen. Für die Teilnehmer
war es ein schöne, interessante und anstrengende Fahrt deren
Erkenntnisse für die weitere Arbeit genutzt werden kann.
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